Völkerschauen waren in Deutschland um die Jahrhundertwende für private Geschäftsleute ein blühendes Geschäft: ein sensationslüsternes Publikum bezahlte Geld, um Menschen aus außereuropäischen Ländern im Zoo bestaunen zu können.
Angehörige anderer Völker hinter Zäunen gemeinsam mit exotischen Tieren vorzuführen, erschien den deutschen Zoobesuchern nicht ungewöhnlich oder gar moralisch fragwürdig. In der Zeit von 1870 bis 1930 wurden über 300 außereuropäische Menschengruppen in Zoologischen Gärten ausgestellt – je „exotischer“ und ungewöhnlicher desto besser für´s Geschäft.
Wildtierfänger gingen dazu in allen Erdteilen auf die Jagd nach „exotischen“ Menschen und lockten sie mit falschen Versprechungen nach Deutschland: dass sie in einem umzäunten Areal der Belustigung der weißen Bevölkerung Deutschlands dienen sollten, wurde ihnen verschwiegen. Ihr Aufenthalt in Deutschland war bestimmt von miserablen Lebens- und Arbeitsbedingungen, kargem Lohn und täglichen Demütigungen und Übergriffen durch die Zuschauer_innen. Das ungewohnte Klima, Infektionskrankheiten und die schlechte Versorgungslage forderten darüber hinaus viele Tote.
In einer nachgebauten, möglichst naturgetreuen Kulisse sollten die Menschen ihr vermeintliches Alltagsleben oder spezielle Attraktionen vorführen. Diese Vorführungen bildeten keineswegs andere Kulturen ab, sondern bestätigten in erster Linie die Klischees und Vorurteile der Deutschen. Die meisten Zuschauer waren ohnehin von der Überlegenheit der weißen überzeugt, sahen sich selbst auf der „höchsten Stufe der Evolution“. Und so wurden die Ausgestellten als biologisch und kulturell „rückständig“ dargeboten.
Ab den 1930er Jahren waren aufgrund der zunehmenden rassistischen Diskriminierung durch die Nationalsozialisten auch lange in Deutschland lebende ehemalige Kolonialmigrant_innen und deren Kinder gezwungen, in Völkerschauen, diskriminierenden Kolonialfilmen und auf Jahrmärkten aufzutreten. Durch den Entzug der Staatsbürgerschaft fanden sie außerhalb dieser Tätigkeiten praktisch keine Arbeit mehr.
Einige machten sich trotz schwieriger Bedingungen im Völkerschaugewerbe erfolgreich selbstständig. Andere wiederum nutzten ihre Popularität als Schauspieler_in und die widersprüchliche Außenpolitik der Nationalsozialisten, um sich für die Gleichberechtigung Schwarzer Menschen in Deutschland zu engagieren. Sie klagten ihre Rechte ein oder setzten sich gegen ungerechte Maßnahmen von Behörden zur Wehr. Ihr couragiertes Auftreten passte nicht in die Rassenideologie der Nationalsozialisten. Darüber hinaus war der unmittelbare Kontakt zu den Zuschauer_innen vor allem aber zu weißen Frauen den Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. Ab 1940 wurden Völkerschauen daraufhin endgültig verboten. Schwarzen wurde es untersagt, in der Öffentlichkeit aufzutreten.
Ungeachtet des historischen Kontexts demütigender Völkerschauen, gibt es in Deutschland auch heute noch diverse Veranstaltungen, in denen „fremde Völker“ in Zoos ausgestellt werden. Die letzte große Zurschaustellung Schwarzer Menschen wurde trotz heftiger Kritik Schwarzer Aktivist_innen 2005 im Augsburger Zoo unter dem Titel „African Village“ veranstaltet.